Betibú by Claudia Piñeiro

Betibú by Claudia Piñeiro

Autor:Claudia Piñeiro [Piñeiro, Claudia]
Die sprache: deu
Format: epub
Tags: Argentinien, Kriminalroman, Spannung
Herausgeber: Unionsverlag
veröffentlicht: 2015-11-17T16:00:00+00:00


17

Am Sonntagmorgen regnet es. Nicht dass es aus allen Wolken schütten würde, es handelt sich eher um einen Nieselregen. Der aber ist umso hartnäckiger, wer bei so einem Wetter hinausgeht, wird auf jeden Fall tropfnass, auch wenn es eine Weile dauert. Nurit steht auf und sieht zum Fenster hinaus. Zu ihrem Erstaunen nimmt der feine Regen der Landschaft aber nichts von ihrer Schönheit, im Gegenteil, er verleiht ihr größere Tiefe, die Farben sind intensiver, die Grüntöne vielfältiger denn je, und obwohl Nurit das Fenster noch nicht aufgemacht hat, nimmt sie den Geruch von feuchter Erde wahr. Oder bildet sie sich das ein? Kann man einen Geruch vorwegnehmen, ihn wahrnehmen, obwohl er gar nicht vorhanden ist? Am Fuß des Abflussrohrs der Regenrinne hat sich eine Pfütze gebildet. Das Geräusch des Wassers in der Regenrinne ruft eine ferne Erinnerung in Nurit hervor, woran genau, kann sie nicht sagen. So als hätte sie es schon einmal – wo und wann auch immer – genau so plätschern hören. Vielleicht war es im Traum. Da fällt ihr ein, dass auch an dem Tag, als Gloria Echagüe ermordet wurde, so ein Wetter war; ja, sie weiß es noch genau, am Todestag von Pedro Chazarretas Frau hat es ebenfalls geregnet. Sie geht zu dem Zimmer, in dem ihre Freundinnen schlafen, öffnet die Tür einen Spalt weit und späht hindurch. Beide schlafen noch. Nurit macht sich einen Kaffee und holt die Zeitung, die der Austräger auch an diesem Morgen im Eingang abgelegt hat – wie schon an allen bisherigen Tagen; gleich nach ihrer Ankunft in La Maravillosa hat Nurit ihm einen entsprechenden Auftrag erteilt. Es handelt sich um ein Exemplar des Tribuno. Sonntags möchte Nurit aber auch noch andere Zeitungen lesen, eigentlich alle, oder fast alle. Und die Online-Ausgaben genügen ihr nicht, unter der Woche sieht sie die zwar täglich durch – alles andere wäre auch zu teuer –, aber sonntags will sie Papier an den Händen spüren und Finger, die von der Druckerschwärze immer dunkler und dunkler werden. Eine richtige Zeitung eben. Beziehungsweise alle Zeitungen. Sie weiß, wenn sie beim Kiosk anruft, bringen sie ihr die Zeitungen zwar vorbei, aber das kann dauern, erst recht am Sonntag, und dann noch bei so einem Wetter. Also beschließt sie, sich lieber selbst auf den Weg zu machen, trotz des Regens ist es nicht kalt, und ein bisschen Bewegung wird ihr guttun. Außerdem hat sie Jaime Brena und dem Jungen versprochen, sich ein bisschen mehr unter die Bewohner der Siedlung zu mischen, vielleicht erfährt sie ja von einem von ihnen, welche Sekundarschule Pedro Chazarreta besucht hat und mit wem aus jener Zeit er auch später noch befreundet war. Einen Regenschirm hat sie nicht mit hierher genommen, weil sie nicht geglaubt hat, dass sie einen brauchen würde, aber eine dünne Jacke mit Kapuze hat sie, und die zieht sie jetzt an. Ein Buch nimmt sie diesmal nicht mit, das würde bloß nass. Und auch keine Sonnenbrille. Als sie entschlossenen Schritts noch nicht einmal einhundert Meter zurückgelegt hat, kommt ihr Luis Collazo entgegen.



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